Sonne, Regen, Rosinen und ein Regenbogen

Was war das bitte für ein Tag?

Nach der gestrigen Mammut-Etappe habe ich schlecht geschlafen. Ich bin immer wieder aufgewacht, habe wirres Zeug geträumt – wahrscheinlich wanderte ich im Schlaf einfach weiter. Draußen hat über Nacht der Wind ordentlich zugelegt und rüttelte heftig an der Hütte. Als ich morgens die Tür öffne, reißt mir eine Böe fast den Griff aus der Hand. Guten Morgen, Naturgewalt.

Nach dem Frühstück ziehe ich mir – zum ersten Mal seit langem – wieder ein langärmeliges Shirt an. Auch das Stirnband hat heute Comeback. Noch schnell den Wetterbericht aktualisiert (Spoiler: nicht sonnig) und dann verabschiede ich mich von Steinar Gaundalen.

Der Weg startet natürlich gleich mit einem Anstieg. Meine Muskeln fühlen sich an wie nach einem Tiefkühllager. Kalt, steif und beleidigt. Dazu bläst mir ein zäher Wind um die Ohren, alles ist grau – und auch die Motivation ist irgendwo zwischen den Sofaritzen des gestrigen Abends verschwunden. Nicht mal die Rentiere können mich heute wirklich aufmuntern.

Aber irgendwann springt der Motor doch noch an. Die Schritte werden leichter, der Blick weiter. Und siehe da – die Sonne traut sich kurz hervor. Und wie das immer so ist: Mit Licht sieht die Welt gleich freundlicher aus.

Nach etwa 13 Kilometern erreiche ich noch vor Mittag Holden fjellgård, wo ich mich im Proviantraum eindecken möchte. Zwei pensionierte Norweger sind ebenfalls da. Kaum ist ein Satz gewechselt, stehen wir schon gemeinsam in der Küche. Ich fülle meinen Vorrat mit Rosinen, Haferbrei, Instantnudeln, Leberaufstrich und Knäckebrot. Die zwei kochen sich derweil ein deftiges Mittagessen – und laden mich einfach zu einer Jause ein. Es gibt Brot, Butter, Wurst, Käse und frisch gebrühten Kaffee. Ich schwöre: seit Trondheim hat mir nichts mehr so gut geschmeckt. Was für ein Geschenk – oder wie man am Trail sagt: Trail Magic.

Gestärkt ziehe ich weiter. Ich will heute noch ein gutes Stück in Richtung Gressåmoen schaffen, um morgen nicht allzu weit gehen zu müssen. Weitere 16 Kilometer später finde ich am Ufer des Vivatnet ein windgeschütztes Plätzchen und baue mein Zelt auf.

Der Himmel ist blau, die Sonne scheint – und gleichzeitig beginnt es zu regnen. Ich sitze da, grinse – und habe sofort „Have You Ever Seen The Rain“ von Willie & Paula Nelson im Ohr. Und weil es das Schicksal heute besonders gut meint, erscheint auch noch ein Regenbogen. Kitschfaktor 100 – aber genau richtig.

Als sich später die Wolken dann doch durchsetzen, verziehe ich mich ins Zelt. Ich denke zurück an diesen Tag, der so schwer begonnen hat – und sich dann doch zu einem kleinen Meisterwerk gewandelt hat.

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