Tag 12 – Nasser geht immer, aber muss man das wirklich wollen?
Die Nacht war kurz, der Schlaf aber gut – ich fühle mich erstaunlich fit.
Heute war: Der nasseste, sumpfigste Tag bisher.
Der Weg war eigentlich keiner – mehr so ein feuchtes Versprechen von Richtung. Die Temperatur: irgendwo im einstelligen Bereich, also eher Frischekick als Wanderwetter. Füße? Naja, nennen wir sie „unter Dauerwasser“.
Aber: Es gibt auch Schönes im Sumpf.
Diese kleinen rosa Blümchen, die trotzig zwischen Moos und Matsch stehen, haben’s mir angetan. Wahrscheinlich halten die mich heute am Laufen. Schönheit im Schlamm.

Ursprünglich wollte ich heute die Nutevasshytta links liegen lassen, um wieder „im Plan“ zu sein. Wieder auf Kurs, Kilometer aufholen, Druck machen. Aber nach fünf Stunden im Sumpf frage ich mich:
Warum eigentlich?
Wofür dieser Plan? Ich bin schließlich nicht auf der Flucht. (Für alle, die sich auskennen: Ich bin halt dreifach rot.)
Ich erreiche die Hütte. Bin durchnässt. Und dann: Feuer an, heißer Kaffee, ein paar Kekse, und der Blick aus dem Fenster – draußen schüttet es wie aus Kübeln.
Und mir ist klar: Ich bleibe.
Heute kein heroisches Weitermarschieren. Stattdessen nochmal ein Abend mit Helena – Gespräche, Wärme, und das gute Gefühl, eine vernünftige Entscheidung getroffen zu haben.
Tag 13 – Schlammstudien, Hüttenschimpfen und ein Schluck Gin
Gut geschlafen – und siehe da: Entgegen der düsteren Wetterprognosen ist es trocken. Im Norden sogar wolkenlos. Also alles zügig in der Früh: Packen, Kaffee, Ofen vorbereiten, Holzlager auffüllen und Hüttentür zu. Ich habe einen langen Marsch vor mir und will das gute Wetter auskosten.
Ich verabschiede mich von Helena – vielleicht kreuzen sich unsere Wege ja nochmal im hohen Norden auf dem E1. Dann: los, mit gutem Tempo durch die frische, klare Luft.
Nach gut drei Stunden erreiche ich die Nystøyl-Hütte. Es ist kalt, aber wunderbar still. Ich setze mich auf die Veranda, mache Kaffee, wringe die Socken aus und esse ein paar Kekse. Man braucht nicht viel zum Glück.
Das Wetter? Feucht-neblig und wunderbar. Ich liebe diese dunstige Stimmung, bei der alles irgendwie leiser wirkt. Auf einem Gipfel habe ich kurz Empfang – und schicke meinem Vater ein Geburtstagsvideo. Grüße aus dem norwegischen Nirgendwo!

Dann geht’s weiter – und wieder: Schlamm.
- fester Schlamm: nicht immer erkennbar, aber gut zu begehen
- bodenloser Schlamm: tückisch, vor allem dann, wenn er in tieferen Schichten den Schuh oder Wanderstock festhält
- heimtückischer Schlamm: schaut wie fester Sandboden aus, hat aber die Konsistenz von Püree
Vermutlich gibt es noch mehr, aber weiter bin ich mit meinen Studien noch nicht.
Nach 1,5 Stunden komme ich an der Torsdalsbu vorbei, aber der Regen hat eingesetzt – also keine Pause, einfach weiter. Noch drei Stunden im Nassen, bis ich endlich Hovstøyl erreiche.

Und dann das:
Ich betrete die Hütte völlig durchnässt, bis auf die Unterhose. Freue mich auf Wärme, auf ein prasselndes Feuer – aber die Saubande vor mir hat alles leer gelassen. Kein Holz vorbereitet, kein Wasser geholt. Ich fluche lautstark. Hilft zwar nicht, aber es wärmt zumindest kurz die Seele.
Dann also: Wieder raus in den Schuppen und mit klammen Fingern Holzspäne hacken, Wasser holen, Feuer machen. Als die Flammen endlich knistern, ziehe ich trockene Sachen an und koche mir einen Tee. Dazu gibt’s Schokolade – Medizin gegen alles.
Langsam wird es warm. Und still. Ich bin allein in der Hütte. Zur Feier des Tages: ein kleiner Schluck Gin bei Kerzenlicht. Der Luxus des Einfachen.

Wohl bekomms!