Lied in Dauerschleife

Punkt Mitternacht reißt mich Lärm aus dem Schlaf. Der Wind legt nochmal einen Zahn zu und rüttelt heftig am Zelt. Dank Mitternachtslicht kann ich von innen die Abspannung kontrollieren – alles hält. Mein kleines Zelt verdient an dieser Stelle ein echtes Lob: tapfer, stabil, wettererprobt.

Um 3 Uhr träume ich von einem wütenden Stier – dabei war es kein wildes Tier, sondern der Wind, der sich am Zeltreißverschluss zu schaffen gemacht hat. Kurz raus, Zelt zumachen, noch mal abspannen und wieder rein. Einschlafen kann ich nicht mehr. Ich döse mich durch die nächste Stunde.

Um 4 Uhr ist’s genug. Packen, richten, weiter. Um 4:30 blinzelt die Sonne endlich über den Bergkamm. Die andere Talseite liegt schon länger im Licht – wärmer wird’s trotzdem nicht. Frühstück lasse ich heute aus, auch unterm Überzelt ist’s wenig einladend. Sogar die Haube darf heute mitspielen, gemeinsam mit den Handschuhen.

Um 4:50 geht’s los. Nach der ersten Kuppe beginnt der Abstieg ins Tal. Dort ist es schattig – und saukalt. Zwei Stunden später meldet sich dann doch der Magen. Ich gehe mittlerweile auf Asphalt, also: rechts ran, Blinker raus, Felsblock ansteuern. Müsli, Tee, weiter.

Dann zweigt endlich der Wanderweg zur Iungdalshytta ab. Ich nutze die Gelegenheit, um mit daheim zu telefonieren. Der Wetterbericht: Heute kühl und sonnig – morgen kalt mit Regen. Na wunderbar. Also Planänderung: gleich nochmal einen Tag dranhängen und das Wetter voll ausnutzen.

Und es zahlt sich aus. 31 Kilometer werden es am Ende. Landschaftlich einer der schönsten Tage überhaupt. Ich komme aus dem Staunen kaum raus. Schneebedeckte Berge, klare Seen, endlose Weite – Norwegen zeigt sich von seiner besten Seite. Es ist sogar mal eine Kaffeepause drin.

Sogar ein Polarfuchs huscht mir vor die Linse. Und während ich über die Hochebene marschiere, begleitet mich musikalisch ein kleiner Ohrwurm, den ich Tin widme:
„Schön ist es auf der Welt zu sein, wenn die Sonne scheint für Groß und Klein…“ – in Endlosschleife.

Bei der Hütte treffe ich auf zwei niederländische Mädels, die gerade von der Bjordalsbu kommen – meinem Ziel für morgen. Sie berichten von Schnee und zugefrorenen Seen. Aha. Das wird interessant.

Später trudelt noch ein Norweger ein, zusammen mit seinen zwei kleinen Söhnen (6 und 8 Jahre). Der Vater trägt einen 110-Liter-Rucksack – und beim Abendgespräch mit einem Gläschen Rotwein verrät er mir auch, was da alles drin ist.

Die Mädels sind um 20 Uhr im Bett, die Burschen eine halbe Stunde später. Der Norweger und ich halten noch ein wenig durch – aber um 22 Uhr heißt’s dann auch für uns: Licht aus, Augen zu.

Was für ein Tag.

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