Tag 10 beginnt mit einer Planänderung.
Geplant waren 30 Kilometer, geworden sind es 14. Michael hat Probleme mit der Lunge, und da ist schnell klar: Gesundheit geht vor Kilometer. Keine Frage, kein Zögern.
Der Weg? Wieder viele Sümpfe. Die Füße haben inzwischen aufgegeben, auf Trockenheit zu hoffen. Dafür ist der Pfad heute gnädiger: Ich habe mich mit der Routenfindung schon besser zurecht gefunden, auch wenn die Markierungen im Vergleich zu Österreich sehr rudimentär vorhanden sind; kein ewiges Gesuche, kein GPS-Tanz. Einfach stapfen, Schritt für Schritt, durch Matsch und Moos.

Auch wenn es weniger Strecke war – es war nicht weniger intensiv. Denn Planänderungen sind Teil des Spiels, besonders auf langen Touren. Und manchmal ist es eben wichtiger, gemeinsam langsam weiterzugehen, als alleine schnell voranzukommen.
Auch heute abend auf der Grunnetjørnsbu sind wir allein. Man könnte sich an diesen Luxus gewöhnen, eine ganze Hütte für sich alleine zu haben.

Tag 11
Heute trennen sich unsere Wege.
Michael hat entschieden, die Tour hier zu beenden – die Lunge macht nicht mehr mit. Und hier, mitten im Nirgendwo, ist tatsächlich die beste Option, in rund fünf Stunden zur Straße zu kommen. Ein harter, aber kluger Schritt.
Nach den letzten gemeinsamen Kilometern verabschieden wir uns. Kein großes Tamtam. Eine Umarmung, ein letztes Foto, ein kurzer Blick. Abschiede auf so einer Tour sind immer mehr als ein „Mach’s gut“. Es war schön, gemeinsam zu gehen.
Danach bin ich allein. Und es wird ein stiller Tag. Nicht nur die Füße werden nass – der Regen am Morgen hat auch die Büsche getränkt, und so ist schnell auch die Hose klatschnass. Dazu das ewige Wetterspiel: Jacke an, Jacke aus, Stirnband rauf, Stirnband runter. Regen, Wind, ein Hauch Sonne, dann wieder graue Gedanken.
Ich gehe, ich denke, ich gehe weiter.
Heute bin ich nachdenklich. Viel geht mir durch den Kopf – über den Weg, über das Alleinsein, über das, was vor und hinter mir liegt.
Am späten Nachmittag, müde und ein bisschen leer, komme ich bei der Granbustøyl-Hütte an – erschöpft, aber froh, endlich am Ziel zu sein.
Und dann wartet dort: Helena. 20 Jahre jung, aus Deutschland, ebenfalls auf Norge på langs. Eine Überraschung – und eine willkommene Begegnung. Plötzlich ist das Alleinsein wieder ein bisschen weniger allein.