ein bisschen Mittelerde

Um 8 Uhr geht’s los von der Bjordalsbu.

 Der Weg: alles andere als ein Sonntagsspaziergang. Blockwerk, Schneefelder, keine Chance auf Tempo. Ich dachte, ich würde schneller im Tal sein. Aber gut, ich bin ja nicht auf der Flucht.

Kaum wird das Gelände einfacher, setzt – na klar – der Regen ein. Von da geht’s zwar „nur“ noch bergab, aber die 13 Kilometer bis Skarvheim ziehen sich wie alter Kaugummi. Nach knapp vier Stunden bin ich dort – pünktlich zur Mittagspause.

Ursprünglich wollte ich hier den restlichen Tag relaxen, aber obwohl die Hütte schön ist, fehlt irgendwas. Vielleicht ist es auch nur die Straße, auf der 100 Meter entfernt LKWs, Wohnmobile und Autos vorbei fahren. Oder aber, es ist mein Bewegungsdrang.

Ich beschließe: Der Tag ist noch jung. Sulebu wird gleich mit erledigt. Aber erst mal was essen. Der Küchenchef empfiehlt Tomatensuppe mit Nudeln in homöopathischer Dosierung. Zum Hauptgang wird die norwegische Interpretation einer Kärntner Jause: Knäckebrot, Streichkäse und eine Art wild gewordene Hauswurzn serviert. Fehlt eigentlich nur ein Enzian.

Gegen 14 Uhr ziehe ich weiter – 20 Kilometer stehen an. Die Sonne meint es gut mit mir. Die erste Hälfte der Strecke ist wirklich schön. Über Pässe, durch saukalte Flüsse waten (ich höre irgendwann auf zu zählen), über Schneefelder und wieder Blockwerk. Meine Füße machen alles mit, und auch mein Regenschirm hat heute Nachmittag frei.

Doch dann zieht Nebel auf, der Wind wird ungemütlich, die Landschaft verwandelt sich in eine Mischung aus Eiswüste und Geröllplanet. Wer jetzt noch Lust auf Sightseeing hat, braucht eine ordentliche Portion Fantasy. Ich fühle mich kurz, als sei ich versehentlich in Mittelerde gelandet – irgendwo zwischen Mordor und einem sehr kalten Auenland.

Zur Stärkung gibt es immer wieder mal ein paar Nüsse und einen Becher klaren Bergwassers. Ich bedanke mich bei den Spirits der Berge und Flüsse für das sichere Geleit bei den Flussdurchquerungen und Überschreiten der Schneefelder.

Keine 20 Minuten vor der Hütte sehe ich dann meine ersten Rentiere. Im Süden von Norwegen sind das wild lebende; im Gegensatz zum Norden, wo die Rentiere Eigentum der Samen sind. 

Um 19:30 Uhr, nach knackigen 34 Kilometern und 9,5 Stunden auf dem Weg, komme ich bei 3 Grad in der Sulebu-Hütte an. Keine 20 Minuten später beginnt es zu schütten. Punktlandung. Timing wie ein Uhrwerk.

In der Hütte sitzt schon ein ausgewanderter Deutscher. Wir kommen ins Gespräch – später gesellt sich noch ein älteres holländisches Paar dazu. Es wird ein richtig gemütlicher Abend, mit Geschichten, Tee und dem wohligen Gefühl, dem Wetter wieder einmal eine Nasenlänge voraus zu sein.

Comments

  1. Sabine Buchberger says:

    Hi Helmut,
    deine Challenge ist ja wirklich eine. So viel nasse Füße ist ja unerträglich. Daran würde ich mich nicht gewöhnen können.
    Deine Rentierherde ist mega 😊
    Ich wünsch dir weiterhin gutes Vorankommen und hoffentlich auch mal trockene Füße,
    Sabine

    • Helmut says:

      Hi Sabine, ja das mit den nassen Füßen ist so eine Sache. Aber der Vorteil ist, dass wenn sie nass sind, dann ist es eh schon egal. 😉
      LG Helmut

  2. M.Kettler says:

    Ich hab echt an dich gedacht für die Strecke nach der Bjordalsbu🙈 Damals von Sulebu kommend, war das echt noch der Zuckerguss für die Gelenke. Allerdings bei Trockenheit und Sonne. Damals dachte ich oft…nur nicht bei Schnee🙈😉
    In der Bjordalsbu habe ich bei der Brücke 2 Järve gesehen.Bei dir auch was rumgewuselt?
    LG aus 🇮🇪😎

    • Helmut says:

      Hi Martin, ich glaube, die waren alle noch tiefgefroren. Aber die Hinweise bei der Hütte bzgl. der Järve hängen schon dort. LG Helmut

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