Felsrippen, Sturm und ein Schlafplatz im richtigen Moment

Das alte Haus lebt. Es knackt, ächzt und scheppert in der Nacht immer wieder. Wenn man davon geweckt wird, wirkt es im ersten Moment fast gespenstisch – doch irgendwie gehört das einfach dazu. Ich schlafe trotzdem gut und wache erst um sieben Uhr auf.

Gleich nach der Brücke biegt der Weg rechts ab und zieht sich den Berg hinauf. Hin und wieder lichtet sich der Wald, und ich werfe einen letzten Blick zurück auf Gressåmoen, das still und verlassen unter mir liegt.

Mit zunehmender Höhe nehmen Wind und Regen deutlich zu. Bald mischt sich auch Nebel ins Spiel – und das Gelände wird anspruchsvoll. Der E1, wie immer ambitioniert in seiner Linienführung, führt mich über steile Hänge, durch blockiges Terrain und über große Felsrippen, die quer zum Weg verlaufen und mich zu Umwegen zwingen. Ich bin angespannt, die Konzentration auf Anschlag. Jeder Schritt zählt.

Laut Karte sollte oben ein breiter Sattel folgen, eine Art flache Ebene, bevor der Abstieg zur Almdalshytta beginnt. Doch flach ist hier gar nichts. Der Sturm oben ist heftig, er versetzt mich beim Gehen regelrecht. Ich muss gegen den Wind ankämpfen und aufpassen, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Konzentration ist heute Lebensversicherung.

Zum Glück wird der Abstieg einfacher. Ich kann etwas lockerlassen – und prompt passiert’s: Ich rutsche aus und lande im Wasser. Nichts Schlimmes, aber unangenehm genug. Vielleicht wartet ja jemand in der Hütte, denke ich mir. Ein Ofen, ein heißer Tee – das wär’s jetzt.

Aber die Almdalshytta ist leer. Kein Mensch weit und breit. Immerhin ist das Klohäuschen bzw. der Holzschuppen offen. In der Not wird auch der ein gemütlicher Pausenplatz. Ich drehe einen Kübel um, setze mich drauf, ziehe mir nichts trockenes an, denn das Zeug muss der Körper trocknen, und mache Mittag.

Es ist 15 Uhr, und obwohl ich schon einige Kilometer in den Beinen habe, will ich hier nicht bleiben. Der Weg führt weiter – steil, dicht bewachsen und mühsam. Doch ich finde eine gute Route, schlage mich durch das Gestrüpp, steige aufwärts, bis ich wieder über der Baumgrenze bin.

Und dann passiert etwas Wunderbares: Der Regen hört auf. Es wird heller. Der Sturm lässt nach. Ich bleibe stehen, atme tief durch. Nur noch eines fehlt – ein trockener Platz zum Schlafen.

Und auch das fügt sich. Det ordner seg! Bevor es runter nach Sandvika geht, finde ich eine kleine, geschützte Stelle, trocken und windgeschützt. Nach acht Stunden unterwegs darf es jetzt genug sein. Zelt aufbauen, rein in den Schlafsack – und einfach nur froh sein, dass der Tag gut geendet hat.

Comments

  1. Nina Reiter says:

    Lieber Helmut,
    mit heute folge ich deinem Blog wieder. Det ordner seg! Gut, sich immer wieder daran zu erinnern – durch deinen Blogeintrag grade.
    Gestern hab ich mir bei einem Landschaftsfotografen ein Bild einer Bucht in Norwegen, Region Vestkap, bestellt 🙂
    Alles Gute! Nina

  2. Martin Kettler says:

    Hallo Helmut.
    Herzliche Gratulation zum Blåfjela👍💯🍀 Also Thor ound Odin hätten dir auch etwas Wanderwetter mitgeben können😉Aber jede Stimmung hat ja auch ihren Reiz!
    Das wäre meine Variante 2024 gewesen, ist aber leider komplett im Wasser abgesoffen, schade. Aber die westliche Traverse ist halt definitiv wässriger als im Osten. Entweder es geht oder halt nicht.
    Den E1 gibt es hier definitiv nur in den Köpfen jener, die mit dem Lineal einen Strich durch die Landschaft gezogen haben.
    Super gemacht Helmut und man darf ruhig sagen, den wildesten Teil NPLs ist durch👍
    God tur videre🍀😎
    (Und heute die Filzsohlen in Kvelia nicht vergessen 😉)
    LG ais Helvetien
    Martin

    • Helmut says:

      Hi Martin, ich nehme dich beim Wort. Denn wenn Norwegen noch unzugänglich wird, dann gute Nacht. Übrigens die Filzsohlen habe ich bekommen. 🙂

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