Höhenmeter und Sumpf

Der Morgen ist wolkenverhangen und windig. Nach dem obligatorischen Müsli geht es gleich einige hundert Höhenmeter bergauf. Noch bevor ich den Sattel erreiche, hole ich die Schwedin ein. Sie sitzt – wie ich gestern – auf einem Stein und nutzt den letzten Fleck mit Empfang, um Hütten zu reservieren. Vermutlich die letzte Möglichkeit für die nächsten zwei Tage.

Oben am Sattel pfeifen fast stürmische Böen, doch das Gelände ist halbwegs gut zu gehen. Zwei Flussquerungen gelingen ohne nasse Füße – eigentlich schon verdächtig für Norwegen. Und wie es kommen muss, folgt kurz darauf eine Senke mit rund 300 Metern Sumpf. Damit ist die Bilanz wieder hergestellt.

Die Dærtastua sehe ich schon eine halbe Stunde, bevor ich sie erreiche. Sie liegt wunderbar am Hang mit herrlichem Blick ins Tal. Am Nachmittag sitze ich bei Kaffee und Schokolade vor der Hütte und beobachte eine Gruppe Rentiere, die gemächlich vorbeizieht.

Um 18 Uhr ist von meiner Mitstreiterin noch nichts zu sehen, und ich überlege, ob sie vielleicht doch das Zelt aufgeschlagen hat. Während ich gerade mein Abendessen vorbereite, taucht in der Ferne eine einsame Gestalt auf. Kurz vor 19 Uhr kommt sie an, und wir beide sind sichtlich erleichtert, dass sie die Hütte erreicht hat.

Nachdem sie sich eingerichtet und umgezogen hat, erzählt sie mir von sich: Sie ist 68 Jahre alt und plant bereits für kommenden Winter, das „Weiße Band“ ein zweites Mal zu gehen – nachdem sie es 2024 schon geschafft hat. Damit würde sie ihren eigenen Rekord brechen, als älteste Frau den Weg im Winter gemeistert zu haben. Diese Frau ist inspirierend.

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